Lili sagt: Ich verstehe Kunst halt nicht.
Ich sage: Das macht nichts.
Die Kunst Markus Redls ist eine Kunst der Liebe zum Material, zum Gegensatz, zum Geschichtenerzählen. Es ist eine Kunst, die nicht auf kurzweilige Unterhaltung zielt, sondern durch ihre Tiefe berührt.
Seit 1998 arbeitet Markus Redl mit Stein, seit 2000 mit Marmor. Er begann damit in einer Zeit, als die Kunst und ihre Produktion als völlig frei postuliert waren, jedes Material und jede Herangehensweise gleichberechtigt nebeneinander stehen konnten. In der postmodernen Welt der 1990er,die eine völlig freie, alles dekonstruierende, alles verknüpfende, alles hinterfragende Kunst hochhielt gab es aber immer noch eine Grenze, an denen diese Freiheit halt machte – an der Steinbildhauerei und besonders an der Darstellung des Menschen in Marmor. Beides war anrüchig, galt als reaktionär, schmeckte es doch nach verstaubter Repräsentationskunst längst ungeliebter Eliten. Fasziniert von diesem unerwarteten Einschnitt in die postmoderne Kunstauffassung begann Markus Redl sich mit dem innenwohnenden Widerspruch auseinanderzusetzen und erkannte seinen Ursprung in unserem Umgang mit Vorurteilen und Geschichten, die wir mit Dingen verknüpfen. Furchtlos begab er sich auf die Suche, sich beständig an den Widersprüchen seines künstlerischen Umfelds abreibend. Dass er sich mit der Wahl des Materials viele Opponenten einhandeln würde und sich zuerst lange und mühsam aus der Schublade des verwünschten Rückwärtsgewandten quälen würde müssen nahm er in Kauf.
So schafft Markus Redl figürliche, aber auch ganz abstrakte, klare Formen aus Stein, meist Marmor, teilweise farbig gefassten. Dabei gelingt es ihm, die Aura der Repräsentation, die den Stein umgibt, durch Themen aufzubrechen, die im Widerspruch zu dieser Erhabenheit stehen, bzw. wird auch die Alltäglichkeit oder Wunderlichkeit der Thematik durch die Verwendung des Steins umgewandelt. Parallel zu den Steinskulpturen entstehen Bronzen, die als eigenständiger Werkblock für den Künstler die malerische Komponente seiner Arbeit bilden. Das Patinieren der Stücke ist für ihn ein geradezu alchimistischer Prozess, ein Spiel mit der Chemie, der Beschaffenheit des Materials, den entstehenden Farbwerten.Das graphische Werk, die Video- und Textarbeiten sind sowohl eigenständig, als auch als Vor- und Nachbereitung der Skulpturen essentiell.
Bei aller Vielfalt liegt das Hauptaugenmerk des Künstlers jedoch immer auf der Arbeit mit dem Stein. Gerade durch den Marmor, seine inhaltliche und körperliche Schwere und Festigkeit und die vielen Assoziationen, die wir mit ihm haben, entstehen Formen, die den Betrachter auf vielen Ebenen ansprechen und zahlreiche Verknüpfungen und Erkenntnisse ermöglichen. Die Fußnoten, die seit 2004 die Titel der Skulpturen und Bronzen begleiten, sind somit auch nicht als Handlungsanweisungen zu sehen. Diese „Bibliothek der Steine“ ist ein konzeptioneller Rahmen, bei dem es nicht um die zwangsweise Verknüpfung eines Werks mit einem speziellen Stück Literatur geht, das notwendigerweise zur Interpretation herangezogen werden muss. Der Künstler zeigt hier nur ein weiteres Mal und noch eindringlicher das ständige Geschichtenerzählen des Menschen auf, indem er einen Referenzrahmen anbietet, der jedoch nicht konsumiert werden muss. Die Skulpturen stehen für sich, Titel und Fußnoten erweitern die Möglichkeit der Betrachtung – ob sie jedoch sinnvoll sind, oder wie weit sie überhaupt ernst genommen werden können, ist jedem selbst überlassen. So bieten die Steine eine Folie für die Erfahrung von der Fragilität von dem, was wir Wahrheit und Wirklichkeit nennen und zeigen uns, dass wir unsere Umwelt in Geschichten wahrnehmen, dass diese Geschichten sich ändern können, aber deshalb nicht mehr oder weniger wahr sind. Der Rahmen, den die „Bibliothek“ bildet, erlaubt dem Künstler eine weitere Verdichtung seiner Arbeit. Zu all den aufwendigen Schritten, der Erarbeitung des Konzepts, dem Auswählen des Materials, der Arbeit am Stein selbst, kommt ein weiterer hinzu, nämlich das Lesen und Schaffen eines Rahmens für ein spezifisches Werk. Ein Künstler, der, wie Redl, seine Werke selbst herstellt und die dazu nötige Literatur selbst liest, braucht Zeit. Diese Verdichtung ist auch ein bewusster Schritt weg vom Tempo des Kunstmarkts.
Die Kunst Markus Redls ist intellektuelle und handwerkliche Präzisionsarbeit. Was herauskommt, ist berührend, facettenreich und gleichzeitig zutiefst einfach. Seine Arbeit geht über die Kunst sozusagen hinaus, bzw. über das System, das wir mit ihr assoziieren. Für Markus Redl ist die Arbeit am Stein längst zu einer Lebenspraxis und Übung geworden. Seine Kunst ist eine Auseinandersetzung mit dem Leben und kann somit nichts und niemandem verpflichtet sein. Wer so viel zu finden und zu geben hat, hat schlicht keine Zeit für oberflächliche Spielchen und dumpfe Wiederholung. Er muss dicht und tief und klar arbeiten. Und über allem steht die Liebe zum Stein, seinem erhabenen Alter, scheinbaren Ewigkeit und unglaublichen Fragilität, die keinen Fehltritt erlaubt.
Oder, um den Künstler zu zitieren: „Abgesehen von der ganzen Intellektualisierung ist der Stein einfach ein Genuss.“